Markt 14

Im Jahr 1919 kaufte Ernst Joseph Grundstück und Gebäude vom Gastwirt Johann Kopp, um sein Modegeschäft von der Recklinghäuser Straße zum “Markt 14“ zu verlegen.
Schon 1923 kam es zu antisemitischen Ausschreitungen. Im Februar 1923 wurde eine Schaufensterscheibe eingeworfen, und E. Joseph setzte eine Belohnung von 100.000 Mark zur Ergreifung der Täter aus (es war Inflationszeit). Ob das zum Erfolg führte, ist nicht bekannt. Nach dem Boykott der jüdischen Geschäfte vom 1. April 1933 wanderte die Familie 1934 in die Niederlande (Rotterdam) aus, wo sie sich sicher wähnte und eine neue Existenz aufbauen wollte. Sie blieb aber noch Eigentümerin des Hauses.

Am Tage des Boykotts kündigte die Kreissparkasse das Darlehen, es kam zur Zwangsversteigerung, und 1935 wurde die Kreissparkasse mit einem Bruchteil des tatsächlichen Wertes Eigentümerin. 1939 erwarb der stellvertretende Ortsgruppenleiter der NSDAP das Anwesen.

Nach dem Einmarsch der dt. Armee in die Niederlande wurde die Familie Joseph mit Ausnahme des Sohnes, der 1938 nach Brasilien ausgewandert war, ins Lager Westerbork verschleppt und von dort nach Auschwitz, wo die Eltern 1942 ermordet wurden. Tochter Grete überlebte Lager und anschließenden Todesmarsch und wanderte nach der Befreiung ebenfalls nach Brasilien aus. Sie bekam mit ihrem brasilianischen Ehemann 2 Kinder. Mit ihrer Tochter Claudia, also der Enkelin von Louise und Ernst, die ich etwas jünger als mich einschätze, habe ich dieses Jahr auf deutsch und englisch telefoniert und in E-Mails von der Stolperstein-Aktion erzählt, ihr Fotos und Zeitungsberichte von unserer ersten Aktion im Mai geschickt. Sie antwortete u. a.: „I thank you again for remembering my family and would appreciate if you can send afterwards a photo of the place where the stone will be. Thank you very much.”

1948 strengten die Kinder ein Wiedergutmachungsverfahren an, das die Jewish Trust Corporation gegen die Sparkasse und den späteren Eigentümer beim Landgericht Essen betrieb. Es wurde 1951 mit einem Vergleich abgeschlossen. Der neue Eigentümer zahlte für das Geschäftshaus in bester Lage den lächerlichen Betrag von sage und schreibe 200 DM.

Ich möchte schließen mit einem Satz von Tochter Grete, den sie in ihrem Brief vom
14. Mai 1983 an Schwester Johanna schrieb: „Es wundert und freut mich jedoch, dass eine neue Generation sich interessiert für die Untermenschen, denen man Heimat und Nationalität nahm, und die entwurzelt ihrem Schicksal überlassen wurden.“

Paten: Familie Gutschow

Wortbeitrag von Claudia Almeida Bock de Gari*

(deutsche Übersetzung)

Wie schön, jetzt mit euch allen meine Gefühle und meine Freude teilen zu dürfen. Ich bin überglücklich und fühle mich geehrt, weil der Überlebenswille meiner Mutter und ihre Bemühungen, die Erinnerung aufrecht zu erhalten, sich anscheinend gelohnt haben. Nur deshalb bin ich heute hier, weil sich aufrechte Menschen in ihrem Herzen beauftragt fühlten, den Nachkommen Israels Gutes zu tun. An euch, die ihr keine Mühen gescheut habt, um die Erinnerung an meine Vorfahren in Ehren zu halten, meinen allerherzlichsten Dank.

Ich denke, dass wir zu einem einzigen Volk gehören. Zu einem Volk, das vereinigt in der Hoffnung auf und in der Dankbarkeit an ein und denselben Gott ist. Dieser Gott ist die Liebe, die alle Vorurteile und Ausgrenzungen überwindet und uns durch Jesus Christus zu Brüdern und Teilhabern an Gottes Herrlichkeit gemacht hat. Ihm gebührt in diesem Augenblick, in dem ich diese historische Geschichte vervollständige,  meine größte Dankbarkeit. Er hat meine Familie bewahrt und mir diese unvergesslichen Augenblicke der Freude sowie das denkbar größte Geschenk überhaupt, nämlich mein Leben, geschenkt.

Einen besonderen Dank an Familie Gutschow für die liebevolle Aufnahme bei sich zu Hause und für das entgegenbringen von so viel Herzlichkeit, dass mein Glaube an das Gute im Menschen dadurch gestärkt worden ist. Ich werde bereichert nach Brasilien zurückkehren. Jetzt habe ich hier in Deutschland ganz besondere Freunde, die ich sehr vermissen werde und an die ich immer mit Dankbarkeit zurückdenken werde. Ich erlebe und genieße sehr eure Freundschaft während meines Aufenthaltes in diesem wunderbaren Land, das für eine gewisse Zeit auch die Heimat meiner Familie war und heute, durch eure Tätigkeiten, auch ein bisschen meine Heimat geworden ist.

Zefanja 3:19:
„Dann rechne ich ab mit den Peinigern, die euch gequält haben. Ich
sammle die Zerstreuten und sorge dafür, dass auch noch die Schwächsten
wohlbehalten ans Ziel kommen. Ich verwandle ihre Schande  in Ehre, auf
der ganzen Erde wird man sie rühmen.“

*Frau Almeida Bock de Gari ist die Enkelin von Ernst und Louise Joseph und war bei der Verlegung der Stolpersteine anwesend. Sie lebt in Brasilien